Eins im Ganzen

Er blickt auf. Nachdem die Augen so viele Worte trafen auf windbewegtem Papier verschwimmt die salzige überhelle Weite. Ein paar Lidschläge dauert es, bis der Horizont hinter den Wogen die Ferne freigibt. Spinozas Worte gleiten aus der Hand. Auf den Seiten bleibt nur der Schatten ihrer selbst zurück. Sie haben sich vom Papier gelöst und in Gedanken verwandelt, beleben das Blut in seinen Adern, tragen ihn davon in ein Anderes, Unbekanntes und doch tief Vertrautes. Das große feste Haus in seinem Kopf, mit seinen wenigen Fenstern, mit engen Fluren, verbotenen Zimmern, dunklen Kellern, verschlossenen Truhen, wenig Licht, bricht zusammen, wird leicht. All die vielen Teile schweben weg. Kein festes Fundament. Nie gewesen. Nur die schönen alten großen Bäume bleiben. Stumm. Weise. Verwurzelt. Sie wussten es schon immer. In weises Schweigen gehüllt. Ihre weitverzweigten Füße ziehen jene Kraft und sind mit ihrem Quell verbunden. Wind bewegt ihre Kronen. Schwingt sie sanft. Das Rauschen in ihren Ästen ist das der Wogen gleich. Das Hin und Her ist wie das Auf und Ab. Berührt und bewegt. Von derselben Hand, die nicht menschlich ist und keiner Stimme folgt, noch Stimme hat. Kein Körper der sie sein eigen nennt und dem sie verpflichtet wäre. Kein Impuls der aus dem Denken käme, sie bewegte, greifen würde. Vögel fragen nicht, wo sie geduldet seien, wo ihre Fremdheit Platz erhielte. Der Ast hier, der Vogel dort. Es ist eins. Vertraut. Nie getrennt. Kein Fisch, der das Wasser um Erlaubnis bäte in ihm zu schwimmen. Kein Tropfen, der sich beschwerte, wenn der Wind ihn trüge. Kein Gipfel, der sich zu entschuldigen hätte, wenn er der Wolke im Wege stünde. Nur ein Menschengedanke, der’s anders dächte. Der Ordnung schafft wo Ordnung ist. Der will und braucht. In Zielen denkt. Der sammelt und strebt, atemlos kämpft, selbstgetäuscht der Zeitlichkeit zu entkommen. Er trennt Geist vom Körper, Innen von Außen, Gott von der Welt. Vernunft jedoch und Herz und achtsam sein ist ihm gegeben. Aber es ist wie ein Werkzeug, das der Maurer bei sich trägt. Ob er’s gebraucht, seinen Stein zu formen, einzupassen ins große Ganze, daran misst die Natur, ob sie uns, als Teil von ihr, ertragen will und kann.

JH